Heut fand sich ein interessanter Artikel zur Blogkultur in der faznet: “So wahr mir Blog helfe”. In ihm beleuchtet die Autorin Katja Gelinski die Unterschiede zwischen amerikanischer und deutscher Blogkultur im Bereich von Justitia.
Vorallem die unterschiedliche Art der Debattierung und Wahrheitsfindung wird als Ursache für das differente Verhalten Deutschland versus USA in solchen Blogs ausgemacht:
In den Vereinigten Staaten sei die juristische Blogkultur dadurch befördert worden, dass die Amerikaner ein stärkeres politisches Grundrechtsverständnis und die Verfassungsrechtler weniger Scheu vor der Beteiligung an politischen Kontroversen hätten.
… gebe es in den Vereinigten Staaten eine wissenschaftliche Debattenkultur, die zum Bloggen regelrecht einlade.
Der Wahrheits- und Wissenschaftsanspruch der deutschen Staatsrechtslehre und die auf Homogenität zielende Dogmatik vertrügen sich mit der Blogkultur, die ja von Opposition, Spontaneität und Zuspitzungen lebe, weniger gut.
Die Funktion der juristischen Blogkultur in den USA finde ich total spannend:
Im Streit über die Methoden der Terrorismusbekämpfung oder auch in der gegenwärtigen Debatte über Finanzmarktregulierung haben gute Verfassungsrechts-Blogs eine Art Brückenfunktion zwischen Politik und Wissenschaft übernommen: als akademische Vorhöfe, Debattier- und Experimentierfelder, auf denen amerikanische Verfassungsrechtler Thesen entwickeln, testen und auch wieder verwerfen.
Auch wenn auch dort nicht alles Gold ist, was glänzt – auch da gibt es Blogger mit Tunnelblick und “Besessene vom Rand” (Zitat Tom Goldstein) – finde ich diese Streitkultur anregend, spannend und wichtig. Sie dient der Meinungsfindung und zumindest bei mir auch der Sortierung des eigenen Geistes und der schnellen und direkten Reflektierung von Ideen und Gedanken.
Aber ich denke, wir sind einfach noch nicht so weit. Wie im Artikel der faznet erwähnt, nutzen wir noch eher traditionelle Medien und publizieren eher wissenschaftliche Artikel als uns fachlich fundiert in einem Blog auszutauschen. Das ist bei den Steuerberatern wohl ähnlich wie bei den Juristen. Man muss nur mal “Steuerblog” googlen. Da findet man den Blog einer Kanzlei, der eher einem fachliche korrekten Mandantenrundschreiben als einem Blog ähnelt. Kommentare hab ich auf den ersten und zweiten Blick keine gefunden. Der nächste gestaltet sich als Link-liste. Und noch krasser fand ich den hier, bei dem Kommentare gleich ganz deaktiviert wurden. Sehr schade. Warum? Der Blog als reines Marketinginstrument? Angst vor Meinungen? Angst, dass einer mehr weiß? Oder Angst, zuviel vom eigenen Wissen preiszugeben?
Selbst hier zum Thema Steuergerechtigkeit: ein einsamer bestimmender Autor mit Artikeln, die zum Teil wieder eher einer Publikation ähneln und vorallem Null Kommentare.
Was ist in diesen Blogs anders als z.B. im ScienceBlogs.de? Sind Wissenschafter diskussionsfreudiger und oppositionsfreudiger als Steuerberater und Juristen?