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Nachrichtenqualitäten zu Äqypten

Am Mittwoch bricht die Gewalt in Äqypten aus. Betroffenheit, Fassunglosigkeit, Wut und Entsetzen … alles mögliche macht sich da in mir breit. Und nichts ist wohl wichtiger in solchen schrecklichen Momenten, als dass die Nachrichtenquellen nicht versiegen. Nur Leid, was nicht hinter verschlossener Tür stattfindet, kann durch Druck von außen, durch Hilfe anderer ein Ende finden. Denn mit einer Eskalation der Gewalt braucht Selbsthilfe Unterstützung.

Und ja, analog Faznet, auch ich denke wieder an Leipzig. Was wäre geworden, wenn damals geschossen worden wäre oder anderweitige gewalttätige Eskalationen ausgebrochen wären? Und wie wichtig ist des doch, dass Proteste eben genau nicht eskalieren, sondern sich einen anderen Weg zur Veränderung bahnen.

Viele berichten intensiv darüber. Aber andere – und durchaus wichtige – geben sich im Grunde der schönen inländischen Normailtät hin. Muss man Zyniker sein oder Ignorant, um seine Prioritäten so zu setzen?

Ein kleiner Teil dessen, was Faznet und Spiegel berichten:

Und ARD und ZDF?

In dem gestrigen Feuilleton-Artikel der Faznet “ARD und ZDF scheitern an Äqypten – Wir sind nicht dabei gewesen” bringt man es auf den Punkt. Unsere – von uns bezahlten – Sender, die den Anspruch erheben, die wichtigsten  Sender zu sein, mutieren zu peinlichem Flowerpower(1) und Flowerpower(2)?

Hier Auszüge aus dem Feuiletton:

“Im ersten Programm des deutschen Fernsehens, in der ARD, überlegt sich zu dieser Zeit ein gewisser Tim in der Daily-Soap „Rote Rosen“ gerade, ob er einer gewissen Gesa Hoffnungen machen soll. Im ZDF gibt Alfons Schuhbeck den jovialen Conferencier in der „Küchenschlacht“. Nicht einmal ein Nachrichtenband am unteren Bildschirm irritiert die deutsche Frühnachmittagsgemütlichkeit. Es ist zum Haareraufen.”

“Im ARD-Mittagsmagazin, das zwischen 13 und 14 Uhr auf dem Programm stand und in dieser Woche auch vom ZDF ausgestrahlt wird, hatte man zu den ägyptischen Weltaktualitäten zwar einen Beitrag mit Archivbildern zu Beginn, das Pflichtstück sozusagen, danach jedoch nahm uns die Moderatorin Hannelore Fischer alsbald wieder mit zu so brennenden Themen wie dem Modeln von Sportlerinnen, dem Sechstagerennen oder den Höhenflügen des Skispringers Severin Freund. So viel Normalität wirkt angesichts der Gleichzeitigkeit des ganz und gar Extraordinären durchaus obszön – und es spricht auch dann für das vollkommen fehlende journalistische, mehr noch: ethische Gespür bei ARD und ZDF, wenn man in Rechnung stellt, dass beide deutschen Hauptprogramme keine Nachrichtenkanäle sind oder sein können.”

“Man muss sich das einmal vorstellen. Da verfügt das ZDF seit geraumer Zeit über eines der modernsten Nachrichtenstudios Europas, man ist in Mainz sehr stolz auf diese Errungenschaft. Aber es ist trotz allerneuester Technik offenbar nicht möglich, die erste öffentliche Rede des ägyptischen Noch-Präsidenten seit dem Beginn der Demonstrationen live in eine aktuelle Sendung einzuspielen und sie simultan zu dolmetschen. Natürlich lag das keineswegs an den fehlenden Bildern – BBC und CNN strahlten sie live mit englischer Übersetzung aus –, es lag, man muss es so sagen, an der Bequemlichkeit einer dem Aktuellen verpflichteten Redaktion. Und es wirkte wie Hohn, als Normen Odenthal knapp zwei Stunden danach in „ZDF heute Nacht“ seine Moderation mit dem Satz begann: „Wir haben nun den Auftritt Mubaraks gesehen.“ Nein, genau das hatten wir eben nicht – knapp elf Minuten hatte Mubaraks Rede gedauert, sie war für den Moment das Ereignis schlechthin und fand just während der Sendezeit des „Journals“ statt.”

“Formate aufzubrechen, geplante Programme zu verschieben, Reporter, Kommentatoren und Moderatoren zuhauf sowie die ganze Technik-Maschinerie nach London zu schaffen, um in beiden Vollprogrammen den ganzen Tag über live zu berichten: Dafür wird ARD und ZDF am 29. April dieses Jahres nichts, aber auch gar nichts zu viel und zu teuer sein. Prinz William und Kate Middleton werden dann heiraten. Das ist schön. Aber vor dem Adelsmärchen steht jetzt Ägyptens Wirklichkeit. Sie ist ARD und ZDF einen auch nur annähernd vergleichbaren Aufwand nicht wert.”

Im Internet findet sich was bei ARD. Aber in der Tagesschau? 4 min. Danach der Brennpunkt. Über die Programmübersicht der ARD  wird über einen Link auf Sendungen zu Äqypten verwiesen … 19 Stück heute … ich musste erst zweimal hingucken, um zu wahrzunehmen, dass es sich nicht um Sendungen der ARD handelt.

Es ist schon doll, was das Erste da bietet. Oder wie die Faznet urteilt: “Ein Trauerspiel … erzählt von der Unfähigkeit der beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender, aktuell ein Empfinden für die Hierarchie des eben gerade Geschehenden zu entwickeln.

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