Jetzt muss ich doch mal beginnen, die Gedanken zu einem Thema festzuhalten, das für mich in Tobi´s Blog seinen Ursprung hat. Es geht um eine Studie über die Rolle des Auswärtigen Amtes im Dritten Reich und in den Nachkriegsjahren.
Eigentlich wollte ich das Buch aus verschiedenen Gründen nicht lesen. Mittlerweile häufen sich aber interessante Artikel und Kommentierungen dazu, so dass ich vielleicht doch nochmal in das “Amt” gucken muss. Vorallem aber will ich beginnen, das mal für mich zu bündeln.
Das erste “Aha” kam auf: bei dem in der Faznet festgehaltenen Gespräch mit dem Historiker Daniel Koerfer. Das war auch für einen Geschichtslaien wie mich verständlich. Tobi sah das Interview bzw. die Sichtweise von D. Koerfer kritsch. Inwiefern genau, findet sich nun hier.
Ich möchte stellvertretend hier nur eine Textstelle des Interviews zitieren:
Körfer: ” … Aber das Amt war für die Durchführung des Massenmordens unwichtiger, als uns die Autoren glauben machen wollen. Ein Gedankenexperiment: Das AA wird 1940 oder 1941 komplett in einem Ufo entführt. Glauben Sie, dass der Völkermord stattgefunden hätte oder nicht? Die Antwort kann leider nur lauten: „Ja, selbstverständlich.“ Jetzt das gleiche Experiment andersherum: Zu unser aller Glück hat das Ufo 1940 Himmler, Heydrich, Kaltenbrunner, Gestapo-Müller, Eichmann und das gesamte RSHA mitgenommen. Da wäre die Durchführung des Mordens schon viel schwerer möglich gewesen. Wenn auch Hitler „mitgeflogen“ wäre, wäre dieses Morden vermutlich ganz ausgeblieben. Denn sein biologistischer Rassenwahn hat die moralische Kernschmelze in Gang gesetzt und hält den ganzen Mordapparat in Betrieb. “
Frank Schirrmacher darauf : “Das „Experiment“ ist interessant. Aber Sie sagen mit Recht: Wenn ich Hitler wegstreiche, hätte es keine Vernichtung gegeben. Die Frage ist doch, wer sie ihm ermöglichte, sowohl direkt, wie das RSHA, oder vermittelt, wie das AA.”
Heute nun war ein weiteres Gespräch in der Faznet nachzulesen. Diesmal mit dem Historiker Christopher R. Browning. Er führt unter anderem aus:
Die wohl größte Chance, die „Das Amt“ ungenutzt lässt, um die ganze Komplexität menschlichen Verhaltens im Krieg wie auch in der Nachkriegszeit zu erkunden, ist der Fall Wilhelm Melchers.
Wer das genau wissen möchte: es ist im Artikel der Faznet schön beschrieben, welchen Erfindungsreichtum ein Wilhelm Melcher an den Tag legte, um moralisch “seinen” Weg zu gehen. Wenn es nicht gleichzeitig gehörigen Respekt über soviel Mut erfordern würde und sich die Situation nicht so unerträglich darstellen würde, müsste man schon schmunzeln über solch scharfsinnige Kreativität und Hartnäckigkeit.
Und Browning führt am Ende aus:
Eine differenziertere und nuanciertere Betrachtung der deutschen Diplomaten, die auf ihrem Posten blieben und sich zwar nicht der Opposition oder dem Widerstand anschlossen, aber dennoch in vielfältiger Weise auf die mörderische Judenpolitik des Regimes reagierten, hätte „Das Amt“ durchaus verbessert. Dennoch ist die Argumentation in ihren Grundzügen richtig. Das Auswärtige Amt leistete als Institution einen Beitrag zur Verfolgung der Juden und zur „Endlösung“. Allzu viele Mitglieder des Auswärtigen Dienstes wurden Nationalsozialisten und Komplizen des Regimes, und viele von ihnen kehrten nach dem Krieg ins Amt zurück. Und obwohl das Auswärtige Amt die neue deutsche Demokratie und deren Außenpolitik unterstützte, hielt es doch über Jahrzehnte an einer verzerrten Darstellung seiner Geschichte fest – eine verdummende, beschämende und unnötige Last, von der es hoffentlich nun dank dieses Buches endgültig befreit ist.