Eine Fotoausstellung eignet sich wunderbar zum Beschnuppern einer Stadt. Vorallem dann, wenn es sich um Schnappschüsse und Alltagsfotografien wie bei Friedrich Seidenstücker handelt. Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie lohnt jedenfalls den Besuch.
In “einestages”, den Zeitgeschichten auf Spiegel-online, hatte man sich der Ausstellung mit einem Artikel genähert. Und der Artikel verspricht nicht zu viel. F. Seidenstücker ist ein Fotograf, der mit Liebe zum Detail und mit einem humorvollen und schrägen Blick auf den Alltag selbigen festhält. Die Fotografien reizen dadurch oft zum Quieken und Lachen, ohne dass man das Gefühl hat, sie wären auf Effekthascherei aus.
“Unter dem Titel “Von Nilpferden und anderen Menschen” hat die Berlinische Galerie dem schalkhaften Witz des Berliner Fotografen nun eine Ausstellung gewidmet. Rund vier Jahrzehnte hatte Seidenstücker den Alltag seiner Zeitgenossen in der Großstadt dokumentiert; rund 14.000 seiner Arbeiten blieben erhalten. Es sind viele komische Fotos darunter: Sie zeigen Kinder, Hunde und Passanten in abnormsten Bewegungen, mit verbogenen Beinen, herausgestreckten Hinterteilen, in verkrampften Haltungen, mit seltsamen Gesten. Das Komische war Seidenstückers Spezialität.
Dabei hatte seine skurrile Fotosammlung ursprünglich einen ganz praktischen Hintergrund. Der gebürtige Westfale war eigentlich Bildhauer. 1904 war er aus seiner Heimatstadt Unna nach Berlin gekommen, um seine Ausbildung zu vervollkommnen – und weil er leidenschaftlich gern in den Zoo ging. Er studierte und fotografierte die Bewegungen der Tiere, die er in seinen Skulpturen nachbildete. Nicht minder bemerkenswert fand er jene Wesen, die sich vor den Käfigen tummelten und sich dabei zu den seltsamsten Verrenkungen hinreißen ließen, während sie versuchten, die Tiere zu streicheln, zu füttern oder auch zu fotografieren.
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Seidenstücker entwickelte eine neue Passion: Der Tierfreund war zum Jäger geworden. Seine Wohnung verließ er nicht mehr ohne Kamera und spazierte dann kreuz und quer durch die Stadt. Im Hinterhalt lauernd, wartete er auf den geeigneten Moment, auf den Auslöser zu drücken – just in jenem Augenblick, da eine Szenerie auf einen grotesken Höhepunkt zuzusteuern schien.
Der Fotoapparat erlaubte es dem schüchternen Mann, sich den Menschen zu nähern, ohne aufdringlich zu wirken. So entstand auch seine wohl berühmteste Bilderserie: Sie zeigt etwa ein halbes Dutzend Frauen bei dem Versuch, mit einem großen Sprung über eine Wasserlache von der Fahrbahn auf den Bürgersteig zu kommen.”
(einestages-Spiegel)
Tolle Dokumente der Zeitgeschichte! Es lohnt sich. und es bleibt festzuhalten: die besten Lachnummern schreibt eben immer noch das Leben. Man muss sie nur sehen können. ![]()