Man soll ja nicht voreingenommen sein und vorrangig Schlechtes vermuten. ABER … da sind sie wieder … die Testballons der Regierung: gelesen in der Faznet vom 31.10.2010. Konzepte (nicht Ergebnisse!) werden unters Volk gebracht, um herauszufinden, was gerade noch machbar ist. Ausloten von Widerständen in Kombination mit Selbstbeweihräucherung – vorausgesetzt Herr Schäuble glaubt wenigstens selbst an das, was er sagt.
Der Spiegel schrieb dieser Tage schon dazu:
“Grundlage der Vereinfachungsvorschläge, die Schäuble dem Koalitionsausschuss am 9. Dezember im Detail vorstellen will, soll eine Ideensammlung der Konferenz der Länderfinanzminister vom 20. Mai 2010 sein, schreibt Schäuble. Im Rahmen der geplanten Steuervereinfachung “sollen Steuerzahler, aber auch Steuerverwaltung und steuerberatende Berufe spürbar von Erklärungs- und Prüfungsaufwand im Besteuerungsverfahren entlastet werden”. Außerdem sollten “Anspruchsvoraussetzungen bei steuerlich zu berücksichtigen Sachverhalten gestrafft werden, wodurch sich der Umfang der zu diesen Sachverhalten in der Steuererklärung zu machenden Angaben reduzieren wird”.”
Oh … man achte auf den letzten Satz. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Er wird doch sicher nicht den Umfang und die Art der anzugebenden Einnahmen meinen.
Noch besser und dreister finde ich das von der Bundesregierung veröffentlichte Interview mit der Bild. Hier ein Auszug:
“Bild: Wird es dann endlich leichter, eine Steuererklärung abzugeben?
Schäuble: Ja. Ich mache meine Steuererklärung noch selber und weiß, wie kompliziert das teilweise ist. Schon in Kürze, vielleicht sogar 2011, soll es daher möglich sein, vom Finanzamt eine bereits vorausgefüllte Steuererklärung elektronisch zu erhalten. Dann müssen die Steuerzahler nur noch die Angaben prüfen und wo nötig ergänzen. Sie können so viel Zeit und Nerven sparen.”
Ähm .. wahrscheinlich lebe ich in einer anderen Steuerwelt. Nach meiner Erfahrung haben auch die vernünftigsten Finanzbeamten im Grunde eine andere Interessenlage als der individuelle Steuerbürger und damit auch sein Steuerberater. Und das finde ich in einer demokratischen Gesellschaft auch nicht unnormal. Hm … und jetzt füllt also das Finanzamt (das fiskalisch in Richtung “Arterhaltung” und damit in Richtung Steuereinnahmen orientiert ist) die Steuererklärung schonmal aus. Na wie schick. Also ich möchte zumindest meine eigene Erklärung noch immer selbst ausfüllen. Und noch etwas in dem Zusammenhang: Vielleicht denkt mal einer nach, warum es so viele Gerichtsverfahren bei Finanzgerichten und Bundesfinanzhof gibt … weil wir uns alle so einig sind? Nein, doch wohl eher, weil Gesetze wie Menschen nicht perfekt sind und es nunmal unterschiedliche Interessenlagen gibt.
Na auf jeden Fall gucke ich mir das die nächsten Tage und Wochen noch genauer an.
Zum Teilthema “Steuererklärung-alle-2-Jahre-für-Arbeitnehmer” ein paar erste Anmerkungen:
… es ist die Masse der Arbeitnehmer, die Erklärungen abgibt, um Erstattungen geltend zu machen und es ist nicht die Masse, die abgeben muss und/oder nachzahlen muss. Fazit: Sehr “selbstlose” Idee vom Fiskus!
… es ist jetzt schon problematisch, von Mandanten alle erforderlichen Belege und Auskünfte über ein vergangenes Jahr zu erhalten. Ich glaube nicht, dass es einfacher wird, wenn man die Sammelei auf 2 Jahre zu verlängert.
… wenn nur alle 2 Jahre eine Steuerklärung vom Arbeitnehmer abgegeben werden muss … haben wir dann demnächst wenigestens 2 Jahre unverändertes Steuerrecht? Das wär doch mal was. Aber davon redet derzeit keiner. Nun bedenke man: das Steuerrecht ist wie immer von Jahr zu Jahr nicht identisch. Wer glaubt jetzt ernsthaft daran, dass der arme Bürger 2 Jahre die richtigen Belege aufgehoben hat? Wem ist zuzumuten, ein sich jährlich veränderndes Steuerrecht mit einer mehrjährigen Abgabe zu verwalten? Der arme Bürger. Fazit: herzlichen Glückwunsch an den Fiskus zu steigenden Steuereinnahmen.
Mein “Verständnisproblem” zu “Steuererklärung-alle-2-Jahre” war auch ein Thema bei der Regierungspressekonferenz am 25.10.2010. Ich bin begeistert! Und? Dr. Offer vom Bundesfinanzministerium ist – oh Wunder – die Antwort im Grunde schuldig geblieben. Tja … “komisch”.
Zitat:
“Zusatzfrage DR.: Noch einmal die Frage: Worin liegt jetzt die Entlastung durch eine nur noch alle zwei Jahre zu machende Steuererklärung? Herr Seibert sagte heute auch, dass das gestern Abend besprochen worden sei. Es mag an meinem mangelnden steuerpolitischen Sachverstand liegen, aber das erschließt sich mir nicht.
Offer: Ich würde jetzt ungern einzelne Punkte aus diesem Gesamtpaket herausgreifen, das sich ja noch in der Erörterung befindet. Man kann das nur theoretisch andenken. Wenn es um Vereinfachungen geht, spielen Pauschalen eine Rolle, und es spielen auch Verfahren eine Rolle. Bezüglich der Verfahren, die eine Entlastung auch für den Steuerzahler erbringen sollen, gibt es offenbar diese Idee, und wie die dann genau umzusetzen sein würde und ob das ein Element sein würde, müsste geprüft werden. Dem kann man nicht vorgreifen, sondern noch laufen die Gespräche. Wir sagen ja nicht ohne Grund, dass wir dazu am 9. Dezember noch einmal in den Koalitionsausschuss gehen wollen. Wir haben den Zeitplan auch etwas forciert oder versuchen ihn zu forcieren, um dabei zu einer Lösung zu kommen.”
Geile Sache!
Dein Argument mit den unterschiedlichen Interessenlagen in Sachen vorausgefuellte Steuererklaerung bringt’s auf den Punkt: Irgendwann kommt einer daher und wird sagen: “Das funktioniert doch bei den Riester-Zulage-Antraegen auch grandios.” Dann wird man ihn wohl auf dein Argument hinweisen muessen.
Noch eine Vision: Auswege aus diesem Dilemma ist ein unbegrenztes Aufbohren des ELENA-Verfahrens zur Sicherstellung der 100%igen Exaktheit der vorausgefuellten Steuererklaerung. Dann wird sicher sein, dass der Finanzminister immer noch an seinem Innenministersessel klebt.
Eins muss man aber sagen: die Lobby-Arbeit in eigener Sache – soll heissen: die Ausredenmaschine -funktioniert tadellos!
Pssst … ganz leise … bist Du Dir sicher, dass sie nicht schon an einem aufgebohrten ELENA-Verfahren arbeiten?
Sinnvolle Korrektur: der Terminus “Vision” ist wahrscheinlich zu hypothetisch…